Dienstag, 16. Dezember 2008
Der Berufsstress lässt es gut verdrängen, aber in genau acht Tagen werde ich hier alleine auf dem Sofa sitzen und die Wand mir gegenüber anstarren. In den Momenten, in denen mir das für kurze Zeit bewusst wird, ist mir furchtbar kalt ums Herz.

Gestern belauschte ich zwei Kollegen, wie sie verklärt über Heilig Abend im engsten Freundes- und Verwandtenkreis sprachen. Weihnachten, so der eine, alleine zu verbringen, das sei das entsetzlichste, das er sich vorstellen könne. Der andere bedauerte betont die Menschen, die niemanden hätten, mit dem sie den 24. verbringen können.

Trotz aller Sehnsucht nach ein paar freien Tagen: Mir graut vor nächster Woche.




Dienstag, 7. Oktober 2008
Ein Anruf mit unbekannter Rufnummer. Als ich abnehme, meldet sich L. Ich bin so überrascht, dass ich nicht weiß, was ich sagen soll. Er sei bei einem seiner Freunde, deshalb die fremde Rufnummer, sagt er. Danach nichts mehr. „Und, wie geht's dir so?“, frage ich, um das peinliche Schweigen zu brechen. Er druckst ein Weilchen herum, dann weicht er aus. Gefühle zu äußern fiel ihm schon immer schwer.

„Was machst du so?“, frage ich. Er erzählt mir oberflächlich von seinem Alltag. Nicht so wie früher, als er sich stundenlang bei mir über seine Arbeit auskotzte. Es ist mehr eine lieblose Aufzählung diverser Tätigkeiten. Ich warte auf seine Gegenfrage, umso sie demonstrativ genauso lieblos zu beantworten, doch sie kommt nicht.

Nach 20 Minuten bin ich die Oberflächlichkeit leid. „Dann mach's mal gut.“ Doch er will nicht auflegen. Stattdessen schlägt er plötzlich ein Treffen vor. Am besten sei es bei mir, sagt er, nach Feierabend, auf einen Kaffee oder ein Glas Wein. „Vermisst du mich etwa?“, frage ich boshaft. Er zögert, dann sagt er: „Der Sex mit dir war schon toll.“

Mir verschlägt es die Sprache. Das ist also alles, was er vermisst? „Willst du deshalb herkommen?“, frage ich, „um mich zu …“ Er bejaht. Seine nächsten Sätze, die er wohl für Komplimente hält, höre ich schon gar nicht mehr. „Kauf dir eine Gummipuppe!“ Ich lege auf.




Mittwoch, 11. Juni 2008
Die Arbeit verfolgt mich bin in den Schlaf. Heute Nacht wachte ich durch einen Mobbing-Albtraum auf, obwohl im Büro überhaupt nicht gemobbt wird; jedenfalls nicht gegen mich. Und auch sonst kann ich mich höchstens über die viele Arbeit beklagen, die kein Ende zu nehmen scheint, als über Kollegen.

Und dennoch: Um 1.30 Uhr warf ich den ersten Blick auf den Wecker, da war ich gerade aufgewacht. Um 2.30 Uhr warf ich den zweiten darauf, nachdem ich mich eine Stunde lang mit Büro-Problemen im Kopf im Bett umher gewälzt hatte. Nach dem Feierabend abzuschalten fällt mir unglaublich schwer.




Sonntag, 8. Juni 2008
Als ich gestern mit einer Kollegin telefonierte, kamen wir zufällig auf das Thema Reality TV zu sprechen. Sie ist eine große Anhängerin dieser Sendungen und hat ihren Mann und ihre Kinder längst zu „Big Brother“ und „Germany's Next Top Model“ bekehrt. Und als sie am Telefon begann, mir die neusten Geschichten daraus zu erzählen, unterbrach ich sie.

„Ich verstehe nicht, wie du dir so etwas ansehen kannst. Ich verstehe nicht, wie jemand überhaupt an so einer Sendung teilnehmen kann. Die müssen sich doch darüber im Klaren sein, dass sie dort ihr Privatleben in alle Welt hinausposaunen. Und wenn sich dann noch die Medien über sie lustig machen, verstehen sie die Welt nicht mehr.“ Sie lachte kurz. „Ach, weißt du … das macht heute doch jeder so. Schau dir nur einmal diese vielen Blogger an.“

Das gab mir doch zu denken.




Sonntag, 18. Mai 2008
Eine Freundin riet mir während unseres letzten Telefonat, niemals zuzulassen, dass mein Freund Nacktbilder von mir mache. Auf meine Nachfrage, wie sie denn darauf käme, erzählte sie mir in knappen Sätzen, wie sie kürzlich durch einen Kommilitonen auf Nacktbilder von ihr aufmerksam gemacht wurde – sie standen prominent auf einer Pics of Ex-Girlfriends Site im Web.

Wie tief kann ein Mann eigentlich sinken?




Montag, 5. Mai 2008
Eigentlich bin ich nicht abergläubisch oder esotherisch. Aber so, wie L. mich heute am Telefon schlecht gelaunt zur Sau machte, kam ich schon auf die Idee, ob das nun die Strafe für meinen gestrigen Post war. Ob er hier mitliest? Nein, sicher nicht. Seine Laune war auch begründet. Trotzdem bekam ich sie zu spüren. Und nun traue ich mich kaum noch, den Mund zu öffnen.




Dienstag, 22. April 2008
„Das musst du doch wissen, du bist doch gerade seine Puppe“, sagt er. „Ich bin nicht seine Puppe“, gifte ich zurück. Er lacht nur. „Schau'mer mal, wie lange du es mit ihm aushältst.“

Wäre er mein Freund gewesen, hätte ich ihm nach diesem Satz die Freundschaft gekündigt. Aber leider und unverständlicherweise ist er sein Freund, seit Jahren schon. Er kennt ihn besser als jeder andere, als ich erst recht, und vielleicht kommt es daher, dass mir seine Worte so weh tun.

Und L.? Ach, wir haben uns ausgesprochen und wieder versöhnt. Trotzdem kümmerte er sich am Sonntag um seine Nachbarin statt um mich, wie ich heute erfuhr.




Mittwoch, 7. November 2007
Die letzten Tage fühlte ich mich hundeelend, und es scheint noch kein Lichtstreif am Horizont aufzuziehen. F. hatte am Donnerstag zweimal angerufen, weil er sich unbedingt am Wochenende mit mir treffen wollte. Als er dann am Freitag noch einmal anrief, willigte ich verzweifelt ein. Sollte er doch sein Date bekommen, wenn er mich dafür den Rest des Tages in Ruhe ließe.

Am Samstag trafen wir uns dann. Und eigentlich war es auch ganz nett. Wir unterhielten uns angeregt, flirteten wie Teenager und benahmen uns gegen Ende auch sonst eher pubertär. Doch als er mich am Ende noch in eine Disko schleppen wollte, die nun überhaupt nicht meinem Geschmack entsprach, lehnte ich ab. Als Entschädigung ließ ich mich für Sonntag auf einen Kaffee einladen. Doch das sollte ich bitter bereuen.

Am Sonntag trafen wir uns also in einem etwas abgelegenen, und daher recht leeren Café. F. erschien mir sehr aufgeregt zu sein, und nach einigen schweigsamen Minuten gestand er dann, sich in mich verliebt zu haben. Ich hatte es befürchtet.

Nun ist F. an sich zwar ganz nett, und ich konnte mich mit ihm herrlich amüsieren, aber mehr Gefühle hege ich für ihn nicht. Allerdings scheine ich das nicht deutlich genug kommuniziert zu haben. Und so saß ich ihm gegenüber am Tisch und bereute jeden meiner Sätze, die ihm offensichtlich Hoffnung gegeben hatten, ich könnte für ihn mehr empfinden. S. hatte mir einmal eingebläut, bei Männern deutliche Worte zu gebrauchen, da sie Frauen nur zu leicht missverstehen. Ich hielt das damals für Koketterie.

Ich wollte diesen Fehler nicht noch einmal machen, also gab ich ihm einen deutlichen Korb. Doch damit war die Sache nicht gegessen. Er fing an, zu weinen. Und ich hatte plötzlich ein fürchterlich schlechtes Gewissen. „Aber du hast doch“, so fing nun jeder seiner Sätze an. Und ich fühlte mich von Minute zu Minute mieser. Außerstande, ihm zu erklären, er habe das nur missverstanden, stand ich auf. „Es ist wohl besser, wenn ich gehe“, sagte ich. „Nein, bleib bitte“, bettelte er unter Tränen.

Kaputter kannst du es jetzt nicht mehr machen, dachte ich mir, und so riss ich mich los, ging zur Theke und bezahlte unsere Kaffees. Es war ein sinnloser Versuch, ihn für die Enttäuschung zu entschädigen, und ich fühlte mich keinen Deut besser. Ich verließ das Café, ohne mich noch einmal umzudrehen, dann ging ich einige Straßen weiter, setzte mich in einen Hauseingang und begann, zu heulen. Nichts kann ich richtig machen.




Freitag, 2. November 2007
Mein Chef rief heute morgen an. Das letzte Projekt solle als DIN A0 Poster präsentiert werden. Kein Problem, dachte ich, denn das Projekt war gut dokumentiert, und mit ausreichend großer Schrift und einiger weniger Abbildungen aus der Dokumentation ließe sich sicher ein ansprechendes Poster erstellen.

„Gut“, sagte er, „ich brauche das bis heute Nachmittag, sonst nimmt es der Drucker nicht mehr an.“ Bis heute Nachmittag ist sehr wenig Zeit für so etwas, wollte ich einwenden, doch er hörte mir nicht mehr zu. Nun sitze ich am Schreibtisch, während alle anderen, die den Brückentag im Büro verbrachten anstatt Urlaub zu nehmen, sich heute früher aus dem Staub machen dürfen.

Und wie ich gerade feststelle, sind sämtliche Bilder zu klein gerastert. Das heißt, ich darf die alle noch einmal nachzeichnen. Ich könnte heulen. Ach, was sag ich, ich heule ja längst.

Nachtrag: Ich habe gut Zeit aufgeholt und sehe endlich ein Licht am Ende des Tunnels, da sagt der Kollege, er müsse jetzt los, seine Frau zu Arzt bringen. Ich nicke nur und schlürfe jetzt einen Espresso. Außer drei Tassen Kaffee habe ich noch nichts im Magen. Der Appetit ist mir vergangen.




Sonntag, 28. Oktober 2007
Welch ein Wochenende. Erfrischend, erheiternd, spannend, deprimierend und traurig zugleich. Ich fühle mich jetzt, als stünde ich kurz vor einem Herzinfarkt, in doppeltem Sinne.

Gestern Nachmittag, ich hatte gerade das Telefonat mit B. erfolgreich verdrängt, rief S. an. „Hast du heute Abend schon was vor?“ Verzweifelt versuchte ich, meinen Herzschlag wieder zu verlangsamen. „Nein, nein, habe ich nicht“, sagte ich, „warum? Willst du vorbeikommen?“ Ich hatte mir die Woche über schon ab und zu eine Fortsetzung unseres Tête-à-Tête vorgestellt. „Nicht direkt, aber wenn du Lust hast: Ich würde gern was trinken gehen.“

Und wie ich Lust hatte. Wir verabredeten uns für um acht in der Innenstadt. Die Wahl des Lokals hätte nicht romantischer ausfallen können. Ein kleiner, verwinkelter Gewölbekeller mit weiß gestrichenen Wänden. In jeder Nische stand ein kleiner, schwarzer Tisch mit zwei bis drei schwarzen Holzstühlen. An den Wänden hingen überall Kerzen und tauchten den Raum in ein warmes Licht. Wir setzten uns an einen freien Tisch gegenüber der Theke und warteten auf den Kellner.

S. beugte sich zu mir herüber und half mir bei der Auswahl des Weins, denn ich war hoffnungslos überfordert. Er war auch den Rest des Abends sehr charmant. Wir sprachen über die Arbeit und die Wohnung und meine berufliche Zukunft, und wir scherzten viel. Ich war schon leicht betrunken als er mich nach Hause brachte. Vor meiner Tür hielt er mich kurz fest und fragte, ob wir uns nicht heute Nachmittag auf einen Kaffee treffen wollten. „Ja“, sagte ich, und verkniff mir ein „ich will“ danach. Dennoch fühlte ich mich den Abend über, als hätte er mir gerade einen Heiratsantrag gemacht.

Wir trafen uns also heute Nachmittag im Café. Ich war noch immer beschwingt vom Abend zuvor. Meine Laune verschlechterte sich aber immens, als das Gespräch auf seine letzte Affäre kam. Und so erfuhr ich, wie schwer diese zu verheimlichen war, und wie sehr ihn dies belastete, zumal seine Geliebte 80 km von hier entfernt wohnte. Ich war sehr erleichtert, als er mir sagte, dass diese Geschichte nun beendet sei. So sehr erleichtert war ich, dass ich einen kleinen Seufzer ausstieß, einen leisen, aber er war nicht leise genug.

S. hatte bemerkt, wie sehr mich diese Geschichte beschäftigt hatte, und gemeinerweise beließ er es nicht dabei, sondern hakte nach. Ich ging ihm völlig auf den Leim, und als ich mich echauffierte, lehnte er sich plötzlich zurück, verschränkte die Arme und fragte: „Sag mal, bist du etwa eifersüchtig?“ Ich öffnete den Mund, um es abzustreiten, aber es kam mir kein Wort über die Lippen. Stattdessen lief ich puterrot an. Das war ihm Antwort genug.

„Sieh mal“, sagte S., „ich hab dich wirklich sehr gern. Du bist hübsch und intelligent, und den Kopf hast du mir auch schon verdreht, sogar mehrfach.“ Ich hielt die Luft an und wartete auf das, was nun unvermeidlich folgen musste. „Du bist mir als beste Freundin sehr viel wert. Und ich möchte, dass das weiter so bleibt.“

Ich starrte auf meine Kaffeetasse. Warum machte mich das nur so traurig? Es war doch schon lange klar, dass aus der Sache mit S. niemals etwas werden konnte. Und trotzdem hatte ich noch so viele Gefühle für ihn. Trotzdem war ich sehr enttäuscht. Es tat weh, die Vernunft aus seinem Mund zu hören, anstatt mich selbst davon überzeugt zu haben.

S. schob seinen Stuhl neben meinen und nahm mich in den Arm. Er redete leise und sehr sanft weiter, doch ich weiß nicht mehr, was er sagte, denn ich kämpfte gegen die Tränen. Als ich meine Kräfte wieder gesammelt hatte, beschloss ich, damit leben zu können. Seine beste Freundin zu sein ist mehr wert als eine vorübergehende Affäre. „OK, lass uns weiter Freunde sein“, sagte ich mit einem etwas gequälten Lächeln. Dieser Satz hätte wohl keinen Literaturpreis gewonnen, aber mir fiel nichts besseres ein.

Wir saßen noch eine Stunde und redeten über Dinge, die mir nun belanglos erschienen. Dann fuhr er mich nach Hause. Ich küsste ihn zum Abschied auf die Wange. Er lächelte. Ich auch.