Als ich noch klein war und bei ihm übernachtete, weckte mich mein Großvater immer zu unchristlich früher Zeit mit den Worten „Morgenstund hat Gold im Mund.“ Als ich noch klein war, fehlte mir das Vokabular, um ihn dafür zu verfluchen; als ich alt genug dafür, war er nicht mehr am Leben.

L. nennt mich gern „Morgenmüffchen“, wenn er mir fünf Minuten nach sechs Uhr die Bettdecke wegzieht und mich zum Aufstehen zwingt. Wenn wir zusammen übernachten, brauche ich keinen Wecker. L. ist viel erbarmungsloser. Einen Wecker kann man ausschalten und weiterschlafen, bei L. funktioniert das nicht.

Spätestens zehn nach sechs sitze ich mit hängendem Kopf und kalten Füßen am Frühstückstisch und lasse mir von meinem Freund den Kaffee bringen. Und während ich stumm dasitze und den Kaffee schlürfe, weil ich gar nicht die Kraft habe, den Mund zu öffnen und Worte zu formen, lausche ich dem Redeschwall, der mir aus der Küche entgegen kommt. Es dauert eine halbe Stunde, bis ich überhaupt fähig bin, mich eigenständig zu bewegen. Aber dann, wie L. es gerne vergleicht, „schnurrt mein Motor“. Bis tief in die Nacht.