Freitag, 11. Dezember 2009
Besinnliche Weihnachten. Und weil wir alle so besinnlich sind, wollten wir uns einen gemütlichen Abend mit der gesamten Abteilung machen. Doch so eine Weihnachtsfeier mußte natürlich organisiert werden. Und als sich endlich jemand dafür bereiterklärte, waren sämtliche interessanten Locations bereits gebucht. Was zu dieser späten Zeit auch wirklich keiner erwartet hätte, nicht wahr?

Es ist ein geradezu typischer Fall für uns. Chronisch unterbesetzt, kaum Zeit für privates, und wenn doch, hat dieses Vorrang vor Feiern mit den Kollegen. Wen wundert es da noch, daß wir keine Weihnachtsfeier zustande bringen? Es schmerzt auch wirklich niemanden, den angepeilten Abend mit Freund oder Familie zu verbringen, statt ein paar Stunden länger als sonst mit den Kollegen zusammenzusitzen. Daher reagierten wir mit entspannter Gelassenheit auf die Nachricht.

Doch wir wären nicht wir, wenn es keine Ausweichmöglichkeit gäbe. Kollege M. kam die Idee, nach der Arbeit gemeinsam die Bowlingbahn zu stürmen. Helle Begeisterung kam unter den Kollegen auf, nur eine stand mit reserviertem Blick abseits: ich.

Ich kann mir nun alles vorstellen, nur nicht mich beim Bowlen. Das Thema erinnert mich zu sehr an The Big Lebowski, und unter solche Leute, nein, unter solche mische ich mich nicht, dachte ich. Meine Proteste beeindruckten keinen, auch mein Team stellte sich gegen mich – mehr noch, sie drängten mich, doch mitzugehen. Es würde doch bestimmt lustig (ja, für euch, wenn ihr mir zuseht), ich könne das auch (auf der Wii vielleicht), sie würden mir auch helfen (und sich dabei kaputtlachen), und schließlich ginge es ja ums Dabeisein, nicht ums Gewinnen (als ob ich da Aussichten hätte).

Da mich meine Kollegen inzwischen sehr genau kennen, fiel es ihnen nicht schwer, mich schließlich zu überreden, mit zum Bowlingabend zu gehen. O. versprach, mich anschließend nach Hause zu fahren; eine kleine Entschädigung. Und ein wenig Balsam auf meine Wunden. Irgendwie freue ich mich jetzt darauf.




Freitag, 20. November 2009
Seit einigen Wochen dominiert an den Wochenenden das Gefühl, die Zeit rase davon und ließe mich einfach hinter ihr stehen. Ehe ich mich versehe, sind die Stunden verflossen und meine Pläne über den Haufen geworfen. Aber das schlimmste ist, daß ich den wenigen Menschen, die mir teuer sind, zuwenig Aufmerksamkeit schenke. Und das wird sich irgendwann rächen.

„Warum meldest du dich nicht?“, fragt er zornig. „Schatz, ich arbeite noch. Bin noch nicht dazugekommen, dich anzurufen. Wir haben ein größeres …“ „Du hättest wenigstens eine SMS schicken können. Ich warte hier auf dich und mach mir Sorgen.“ Das macht mich sprachlos. Er wartet? Auf mich? Und macht sich Sorgen? Öfter mal was neues. „Tut mir leid, Schatz“, sage ich, nachdem ich mich wieder gefasst habe. „Jaja“, mault er zurück.

Haben wir die Rollen getauscht? Für gewöhnlich bin ich diejenige, die wartet und sich Sorgen macht. „Nur noch eine Stunde“, verspreche ich, ohne weiter darüber nachzudenken, ob ich das Versprechen auch halten kann. Meine Gedanken sind trotz der Kuriosität wieder bei den beruflichen Problemen angelangt. Meine Finger tippen an der nächsten Mail während ich zuhöre, welche Pläne er bereits fürs Wochenende geschmiedet hat. „Ja, Schatz, machen wir.“ Ich verabschiede mich mechanisch und lege auf.

Nachdem ich die Mail fertiggetippt habe, gehe ich mit einer Zigarette ins Raucherzimmer. Alleine – es ist außer mir keiner mehr im Büro.




Donnerstag, 19. November 2009
„Geh nach Hause“, sagt sie. „Du bist schon seit acht hier und sitzt immer noch am Schreibtisch.“ Ich werfe einen Blick auf die Uhr. Knapp zwölf Stunden, in letzter Zeit nichts ungewöhnliches. „Es ist eben viel los zur Zeit, und irgendjemand muß es ja machen.“ Sie schüttelt den Kopf. „Du bist viel zu lieb für diese Welt“, sagt sie und macht sich auf den Heimweg.

Mag sein, daß ich ein Ja-Sager bin, daß ich mir mehr aufschwatzen lasse als nötig wäre. Aber ich liebe diesen Job, ich möchte mich einbringen, Probleme lösen und den Erfolg genießen. Und, ja, ich genieße sehr den Respekt, den mir meine Kollegen dafür entgegenbringen. „Frag Chantal, die weiß das.“ „Das muß Chantal entscheiden, das kann ich nicht.“ „Chantal, manche Dinge gehen eben nicht ohne dich.“ Es sind Sätze wie diese, die mir weit mehr wert sind als jeder Euro meines Gehalts.

Für Menschen mit schlechtem Karma macht mich das wahrscheinlich naiv und einfach zu haben. „Streichel ihr den Kopf, dann tut sie alles für dich.“ Aber so ist es nicht. Ich kann noch ganz gut unterscheiden, ob es jemand ehrlich meint oder nicht. Und alles mache ich höchstens für einen einzigen Kollegen, aber das ist eine andere Geschichte.

Apropos Kollege: Meine Gefühlszustand ist in die nächste Phase übergetreten. Heute nacht träumte ich bereits von ihm. Und dann war es gleich noch einer dieser exhibitionistischen Träume. Ich sollte mal einen Traumdeuter konsultieren. Wenn das jetzt meinen Wunsch widerspiegeln soll, mich vor ihm zu entblößen, dann gute Nacht!




Mittwoch, 4. Februar 2009
Teamleiterin zu sein hat auch so seine Schattenseiten. Zwischen meinen netten Kollegen und einer anderen Abteilung gibt es eine Meinungsverschiedenheit. Was als höflicher Hinweis begann, endete als wüste Mail-Schlacht; mit mir und dem Leiter der anderen Abteilung in CC.

Doch während ich versuchte, die Wogen in meinem Team zu glätten, schien der „feindliche“ Abteilungsleiter sie nur noch höher schlagen zu lassen. Am Ende griff er mich noch persönlich an und gab mir die Schuld an der Eskalation.

Da er sogar drohte, sich beim Bereichsleiter über mich zu beschweren, schickte ich heute Nachmittag den gesamten Mailverkehr auf den Drucker und steckte die Ausdrucke übersichtlich in eine Mappe. Sollte mich der Bereichsleiter demnächst auf den Vorfall ansprechen, werde ich ihm etwas Abendlektüre in die Hand geben.




Dienstag, 27. Januar 2009
Morgens, sieben Uhr in Deutschland. Ich fahre meinen Rechner hoch um die Mails abzurufen – es könnte ja etwas wichtiges passiert sein. Vier neue Mails trudeln tatsächlich ein, alle vier von mir, vom Büro aus an meinen Privat-Account verschickt, weil ich gestern Abend noch etwas tun wollte. Ups.

Der Resturlaub ist noch nicht verplant, demnächst wird er verfallen. Mein Chef wechselt die Abteilung und hat noch eine Menge Abschlussaufgaben, die er bis Ende des Monats erledigt haben will; noch drei Tage. Ein Kollege möchte, dass ich mir seinen Projektantrag durchsehe – er ist neu in diesem Unternehmen. Und ein Geschenk für den Geburtstag meiner Kollegin muss ich auch noch besorgen.

Es scheint ein sicheres Zeichen für Überarbeitung zu sein, wenn man sich Arbeit mit nach Hause nimmt und sie dort schlicht vergisst. Das Gefühl, gestern Abend abgeschaltet zu haben, habe ich dennoch nicht. Es ist dringend an der Zeit, Mail Nr. 1 nachzukommen und meinen Resturlaub zu nehmen. ASAP.




Donnerstag, 16. Oktober 2008
Wie ist das eigentlich bei erfolgreichen Menschen? Führen die tatsächlich eine Beziehung, wie man sich „Beziehung“ weitläufig vorstellt? Wenn der Job viel Zeit beansprucht, wieviel bleibt dann noch für den Partner? Abends kommt man spät nach Hause und hat selbst dann noch Dinge zu erledigen. Und man möchte mit dem Freund doch auch über anderes reden als die Arbeit. Geht das überhaupt zusammen, Karriere und Beziehung? Oder muss man sich für eines entscheiden, und lässt das andere nur irgendwie mitlaufen? Vielleicht wird es erträglich, wenn beide Karriere machen und beide deshalb wenig Zeit haben. Dann gibt es zumindest kein Aufmerksamkeitsgefälle. Dafür gibt es dann die Not, die wenige Zeit, die man hat, aufeinander abzustimmen.

Fragen über Fragen …




Ich nehme mir fast jeden Tag Arbeit mit nach Hause. Es sind Dinge, die ich in Ruhe erledigen muss, und das kann ich nicht, wenn ständig das Telefon klingelt oder ein Kollege vor mir steht und mich ausfragt. Doch auch, wenn ich mir abends dafür Zeit lassen kann, hält mich das zuverlässig vom Abschalten ab.

Manchmal sind es nur stupide, rein motorische Tätigkeiten, die ich erledigen kann, während ein Film im Fernsehen läuft. Das ist in etwa wie Bügeln bei meiner Mutter. Meistens sind es jedoch die Zeitfresser, die ich in die eigenen vier Wände schleppe. Man verwendet nicht viel Energie darauf, doch es dauert unglaublich lange, bis es fertig ist. Und schaut man anschließend auf die Uhr, fragt man sich, was denn nun vom Feierabend noch bleibt.

Powerpoint-Folien gehören in diese Kategorie. Die Satzfetzen sind schnell getippt. Die Grafiken zu zeichnen dauert wesentlich länger, als ihren Inhalt zu erklären. Und das Hin- und Herschieben, das Umkonzipieren und Umbauen der Folien, weil doch wieder irgendetwas nicht passt, frisst gierig die eigentlich freien Minuten. Und am Ende bin ich trotzdem unzufrieden mit dem Ergebnis.




Dienstag, 14. Oktober 2008
Gestern war ein entspannter Tag. Ich ging spät ins Büro und früh wieder nach Hause. Keine Steine lagen auf dem Weg, und selbst nach Feierabend ging ich mit Lust einkaufen. Es war alles so entspannt, dass ich gleich nach der Mittagspause an den Chef-Schreibtisch trat und zusagte.

Ab ersten Dezember bin ich damit Teamleiterin. Heute will er es den Kollegen offiziell mitteilen. Und ich werde mit hochrotem Kopf daneben sitzen. Das sind ja Aussichten.




Dienstag, 7. Oktober 2008
Unverhofft kommt oft. Heute Morgen saß ich noch betrübt am Frühstückstisch. Nun komme ich wie auf Wolken schwebend nach Hause zurück. Ich hätte ein hohes Ansehen bei den Kollegen, sagte er. Meine fachliche Kompetenz hätte ich schon oft genug demonstriert, das allein hätte die Gehaltserhöhung schon gerechtfertigt.

Aber mein Feingefühl und Engagement sei so herausragend, dass er mich gerne auch als Teamleiterin einsetzen möchte. Ein kleines Team, vier Köpfe, deren Respekt ich mir schon lange erarbeitet hätte.

Er sah mir wohl, wie ich plötzlich einen hochroten Kopf bekam von all dem Lob, und auch nicht wusste, was ich sagen sollte. „Überlegen Sie es sich mal in Ruhe, es besteht kein Grund zur Eile. Und so viel anders als das, was Sie jetzt schon tun, ist das auch nicht.”

Ruhe ist genau das, was ich jetzt brauche. Ich fühle mich wie auf Drogen.