Freitag, 17. Oktober 2008
Mit Kopfschmerzen aufgewacht. Versuche, sie mit Kaffee zu beseitigen. Eine nette Erkältung habe ich mir aufgeschnappt. Zu stark, um sie zu ignorieren, aber zu schwach, um mit gutem Gewissen zuhause bleiben zu können. Und der Stolz verlangt, dass ich auf Urlaub und Krankheitstage verzichte, wenn ich gerade erst eine Aufstiegschance bekommen habe.




Dienstag, 7. Oktober 2008
Die Woche bietet keine besonders schönen Aussichten. Weder beruflich noch privat. Sie ist ein Meer, in dem ich drohe, unterzugehen. Und das rettende Ufer scheint noch vier Tage entfernt zu sein. Aber was ist das für ein Ufer? Es ist nur eine kleine Insel; eine kleine, einsame Insel. Ich überlege, welcher Tod der schmerzlosere ist: im Meer ertrinken oder auf der Insel verhungern.

Meine Blindheit hat mich einige Menschen vergraulen lassen, die mir doch so wichtig sind. Blind und verliebt habe ich sie vernachlässigt und ignoriert. Und nun fehlen sie mir schmerzlich. Stünden sie jetzt hier im Raum, würde ich sie auf Knien bitten, mir zu verzeihen.




Dienstag, 1. Juli 2008
Unglaublich, aber wahr: Heute ist schon der zweite Tag in dieser Woche, an dem ich arbeite, und ebenso der zweite Tag, an dem ich frühzeitig Feierabend machen kann – ohne Arbeit mit nach Hause nehmen zu müssen, selbstverständlich.

Und was tut man, wenn einen zuhause niemand erwartet? Man fährt stattdessen in den Park und legt sich ein wenig in die Sonne. Ich fühle mich ganz fürchterlich gut erholt und entspannt, fast schon wie im Urlaub. Und Farbe habe ich auch schon bekommen. Noch ein paar Tage, dann kann ich auf Strandurlaub pfeifen und eine Städtereise machen.




Sonntag, 29. Juni 2008
Das Termometer sagt 26°C. Zu warm, um draußen zu sitzen, selbst mit Sonnenschirm und einer Wanne kaltem Wasser, in das ich den Vormittag über meine Füße gehängt habe. Schade um das schöne Wetter, denke ich mir, während ich in die angenehme Kühle der Wohnung flüchte.

Hier sitze ich nun vor dem aufgeklappten Notebook und warte, bis der Schatten über meinen Balkon gewandert ist und ich den Abend wieder im Freien genießen kann. Aus Langeweile klicke ich mich durchs Web, ärgere mich über anzügliche Suchanfragen, ziehe die Stirn kraus bei der Aussicht auf einen Fußballabend, an dem die gesamte Nachbarschaft bei geöffneten Fenstern brüllen wird. Ich überspiele The Doors auf den iPod, stelle eine Flasche Riesling in den Kühlschrank, schätze das verbliebene Vanille-Eis und den Rest Eierlikör ab und lege mich mit dem Vorsatz, morgen später ins Büro zu fahren, für ein Nickerchen aufs Bett.




Dienstag, 10. Juni 2008
Wie jedes Jahr zu dieser Zeit beginnen bei mir die ersten Anzeichen von Heuschnupfen. Die Augen brennen, der Hals kratzt, die Nase ist verstopft. Mein Frühstück besteht daher in den nächsten Wochen aus einer Tasse Kaffee, einem halben Glas Wasser, Tabletten und Nasenspray.

Und sei das nicht schon schlimm genug: Es hilft nur, solange ich mich nicht übermäßig lange im Freien aufhalte. Doch das ist momentan der Fall, denn zu einem Picknick bekomme ich Herrn L. nicht überredet, und zum Laufen oder fürs Freibad habe ich unter der Woche weder Zeit noch Lust. Im Juni und Juli mutiere ich also gesundheitsbedingt zur karrieregeilen Bürohockerin.




Montag, 9. Juni 2008
Kein Anruf, keine SMS, kein „Schlaf gut“, kein „Gute Nacht“. König Fußball hat Einzug gehalten, und König Fußball regiert die Welt. Meine regiert er nun auch.

Auf meiner frustrierten Suche nach Leidensgenossinnen und fußballfreiem Mannesersatz im Netz finde ich alberne Anti-Fußball-Portale, -Weblogs und dämliche Sprüche (Ficken statt Kicken). Aber keine Männer, die man sich für einen Monat leihen könnte. Ich versuche es auf englisch und gebe in Google „rent a man“ ein. Und Google empfiehlt mir den gleichnamigen Film. Na, so weit geht mein Frust dann doch nicht, als dass ich mir eine flache Komödie ansehe.

Es bleibt mir wohl nichts übrig, als mit den anderen fußballfrustrierten Kolleginnen zu grillen, wenn Deutschland spielt. Und für die restlichen Tage leihe ich mir eine von K.s DVD-Boxen.

PS: Auf meine SMS „Ich suche mir jetzt einen Ersatzmann“ erhielt ich bisher noch keine Antwort von L. Scheint beleidigt zu sein.




Dienstag, 13. Mai 2008
Als ich noch klein war und bei ihm übernachtete, weckte mich mein Großvater immer zu unchristlich früher Zeit mit den Worten „Morgenstund hat Gold im Mund.“ Als ich noch klein war, fehlte mir das Vokabular, um ihn dafür zu verfluchen; als ich alt genug dafür, war er nicht mehr am Leben.

L. nennt mich gern „Morgenmüffchen“, wenn er mir fünf Minuten nach sechs Uhr die Bettdecke wegzieht und mich zum Aufstehen zwingt. Wenn wir zusammen übernachten, brauche ich keinen Wecker. L. ist viel erbarmungsloser. Einen Wecker kann man ausschalten und weiterschlafen, bei L. funktioniert das nicht.

Spätestens zehn nach sechs sitze ich mit hängendem Kopf und kalten Füßen am Frühstückstisch und lasse mir von meinem Freund den Kaffee bringen. Und während ich stumm dasitze und den Kaffee schlürfe, weil ich gar nicht die Kraft habe, den Mund zu öffnen und Worte zu formen, lausche ich dem Redeschwall, der mir aus der Küche entgegen kommt. Es dauert eine halbe Stunde, bis ich überhaupt fähig bin, mich eigenständig zu bewegen. Aber dann, wie L. es gerne vergleicht, „schnurrt mein Motor“. Bis tief in die Nacht.




Freitag, 25. April 2008
Vor kurzem stand ich in der Lebensmittelabteilung vor den Weinregalen, als ich mich umsah und einen früheren Bekannten meiner Eltern entdeckte. Er saß an der Theke des kleinen Bistros nebenan und trank Bier. Unsere Blicke trafen sich kurz, doch dann redete er weiter mit seiner Thekennachbarin. Er hatte mich wohl nicht erkannt; oder wollte mich nicht erkennen.

Ich erinnere mich noch gut an ihn. Er führte ein kleinbürgerliches Leben in einem ländlichen Dorf, zusammen mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen. Es schien eine der üblichen Ehen auf dem Lande zu sein, weder romantisch noch zerstritten. Doch der Schein trügte. Als sie während eines Mittelmeerurlaubs ihren ältesten Sohn bei einem Taucherunfall verloren, zerbrach ihre Ehe in kürzester Zeit.

Damals nahm ich die Ereignisse nur beiläufig zur Kenntnis. Doch als ich ihn mit hängenden Schultern an der Theke sitzen sah, wie er sich mit einer noch älteren Frau unterhielt, die ebenfalls den Eindruck machte, in ihrem Leben gescheitert zu sein, da fühlte ich Mitleid mit ihm. Und für einen Moment sah ich mich selbst als alte, im Leben gescheiterte Frau an dieser Theke sitzen und mich mit Männern wie ihm unterhalten. Ich drehte mich schnell zum Regal um und wählte einen Merlot.




Donnerstag, 24. April 2008
Wenn mein Teamleiter zu mir sagt, ich solle doch bitte Feierabend machen, ich hätte heute schon für genügend Chaos gesorgt, dann kann man das leicht falsch verstehen. Zumal heute wirklich alles, was ich anfasste, so dermaßen schief ging, dass ein böswilliger Vorgesetzter allen Grund hätte, mich vor die Tür setzen zu wollen.

Doch der meinige besitzt einen etwas eigenen Humor, und was sich sehr barsch liest, klang in Wirklichkeit sehr viel ironischer. Und tatsächlich schickte er mich in dem Wunsch nach Hause, mich vor mir selbst zu schützen. Zu gut weiß er mittlerweile, wie schnell ich mir schief gegangene Projekte zu Herzen nehme und die Schuld bei mir selbst (und nur dort) suche. Auf der anderen Seite wird er nichts aufräumen und niemanden kehren lassen; ich werde morgen vor demselben Scherbenhaufen stehen, weil er weiß, dass ich ihn durchaus beseitigen kann.

Für diese Bestätigung nehme ich seinen schrägen Humor doch gerne in Kauf.




Mittwoch, 23. April 2008
Ich trinke Rotwein und Rotbuschtee. Das macht gesprächig, finde ich. Findet auch A., mit der ich eine Stunde lang telefonierte, und der ich wahrscheinlich wieder viel zu viel über uns verriet. „Was findest du nur an dem“, fragte sie. „Er bringt mich zum Weinen“, flachste ich, und im nächsten Moment fiel mir auf, wie fürchterlich das klingt. Aber es ist wahr. In diesen schönen Momenten mit ihm, wenn die Stimmung passt, wenn ich in seinen Armen liege, wenn er mir diese schönen Worte ins Ohr flüstert, dann weine ich, vor Rührung, vor Glück. A. schüttelte nur den Kopf, ich konnte es durchs Telefon fühlen.