Montag, 9. November 2009
„Und L. so?“ „Einmal mehr am Telefon gestritten. Hat einfach aufgelegt. Ich zähle schon nicht mehr mit.“




Lieber S.,

die ersten Tränen laufen schon über meine Wange, während ich dir diese Zeilen schreibe. Mein Telefon liegt neben mir, doch dich anzurufen wage ich nicht. „Warum?“ würdest du jetzt wahrscheinlich fragen. Aber ich kann nicht, ich kann nicht darüber reden, und selbst dies hier zu schreiben fällt mir unglaublich schwer.

Vor meinem geistigen Auge sehe ich dich vor mir. Mit strenger Mine siehst du mich an, und ich senke voller Scham den Kopf, weil ich weiß, was du mir so oft eingebleut hast: Niemals mit einem Kollegen! Und es ist schlimmer als das, denn es mischen Gefühle mit.

Ich hatte dir schon oft von ihm erzählt, daß wir uns gut verstehen, ein super Team sind und uns lückenlos ergänzen. Ich lerne von ihm und er von mir. Am Anfang waren Respekt und Wertschätzung zwischen uns, aber schon lange nenne ich ihn einen guten Freund und schütte regelmäßig mein Herz bei ihm aus. Doch bei all dem Vertrauen waren es nie mehr als freundschaftliche Gefühle, die ich führ ihn hegte. Bis jetzt.

Ich kann dir nicht sagen, was sich änderte, oder gar warum. Ich weiß nur, daß seit er mir im Vertrauen sagte, er suche einen anderen Job in einer anderen Stadt, ich erst erkannte, wieviel er mir bedeutet. Allein der Gedanke, ohne ihn im Büro zu sitzen, ist schier unerträglich. Ich kann nicht, ich will nicht mehr ohne ihn. Die Kündigung jedes anderen könnte ich akzeptieren, bei dem einen oder anderen mit einem tränenden Auge. Aber auf ihn kann ich nicht verzichten, weder beruflich noch in meinem Herzen.

Es war mir lange nicht bewußt, wie sehr ich an ihm hänge. In Stresszeiten waren seine Anrufe auch schon lästig. Und ich schäme mich heute, so darüber zu denken. Ich hatte ihm sanft schon ein „Date“ ausgeschlagen, wofür ich mich heute ohrfeigen könnte. Und nun benehme ich mich wie die verstoßene, die weinend darum bettelt, wieder beachtet zu werden. Ich rufe ihn an, bevor er ins Büro kommt und nachdem er gegangen ist. Jede Minute, die ich ohne seine Aufmerksamkeit bin, wird mir zur Qual. Ich hänge an seinen Lippen, wenn wir in den Pausen miteinander reden, als seien es die letzten Worte, die ich von ihm hören werde.

Mein Kopf sagt mir, ich übertriebe maßlos, doch mein Herz hat seit Tagen Angst. Angst, ihn zu verlieren, obwohl er doch gar nicht mein ist. Oh mein lieber S., ich vermisse ihn schon jetzt so sehr. Wie soll das nur weitergehen?

Deine dumme Chantal