„Du bist aber früh heute.“ L. sieht mich überrascht an. Kein Wunder, normalerweise komme ich erst gegen 18 Uhr nach Hause. „O. hat kein Taxi mehr bekommen, also hab ich ihn schnell zum Bahnhof gefahren. Und danach hatte ich keine Lust mehr, zurück ins Büro zu gehen.“ Skeptisch zieht er die Augenbrauen hoch. Ich antworte mit Augenrollen. „Für ihn tust du wohl alles …“ Er sagt nichts weiter, doch ich kann seine Gedanken erahnen. Wie kann man wegen einer Harmlosigkeit eifersüchtig werden, denke ich. Doch so harmlos ist es vielleicht doch nicht.

Vor drei Wochen änderte sich etwas in mir, und seither vergeht kein Tag, an dem ich nicht darüber grüble, was es wohl war. Es kam so plötzlich, daß ich in ihm nicht mehr nur den lieben Kollegen sah. Mit ihm bin ich schon so oft – beruflich – durch dick und dünn gegangen, mit ihm verstehe ich mich blind, er vertraut mir viel mehr aus seinem Leben an als sonst jemandem in der Abteilung, und auch er weiß bereits sehr viel über mich. Ich genieße es, zu ihm zu gehen, wenn mir die Arbeit über den Kopf wächst. Dann setze ich mich neben ihn, sehe ihm zu und lausche seiner Stimme, während er mir erklärt, was er gerade tut. Und ich entspanne dabei.

Das hat sich jetzt geändert. Zwei Wochen lang wußte ich nicht, was mit mir los war. Ich war plötzlich aufgeregt, wenn ich nur daran dachte, ihn wiederzusehen. Ich wurde eifersüchtig, wenn er mit jemand anderem rauchen ging und mich nicht fragte, ob ich mitkommen wolle. Ich hatte in der Mittagspause plötzlich keinen Appetit und ließ die Hälfte des Essens auf dem Teller. Ich bekam ein schlechtes Gewissen für alle Zusagen, ich ich ihm je gab und die ich nie hielt – weil mir die Zeit fehlte und sie irgendwann aus meinem Kopf verschwanden.

Inzwischen weiß ich, was passierte. Ich habe mich verliebt. Ich weiß nur nicht, wie oder warum, und das macht mich verrückt. Aber ich kämpfe nicht mehr dagegen an. Es scheint mein Schicksal zu sein, mich in vergebene Männer zu verlieben. Aus einem wurde mein bester Freund. Vielleicht wird aus dem anderen mein zweitbester. Mehr zu erwarten wäre unrealistisch, weniger unnötig pessimistisch. Jetzt muß ich nur noch einen Weg finden, die nächsten drei Tage, an denen er nicht hier ist, ohne Sehnsuchtsdrama zu überstehen.